Sechs Abende zu dekolonialer Theorie und Praxis

 

Die Reihe »La Palabre« wird kuratiert von Isabel Raabe und Celina Baljeet Basra und findet im Rahmen der Think Tank-, Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe TALKING OBJECTS LAB statt.

Fr. 14.07.23  |  18:00 – 21:00

Fr. 01.09.23  |  18:00 – 21:00

Fr. 29.09.23  |  18:00 – 21:00

Fr. 20.10.23  |  18:00 – 21:00

Fr. 10.11.23  |  18:00 – 21:00

Do. 14.12.23  |  18:00 – 21:00

»La Palabre«

Das sind sechs Abende zu dekolonialer Theorie und Praxis in Berlin-Kreuzberg, in der Vierten Welt am Kottbusser Tor, die Diskussion und gemeinsames Kochen und Essen verbinden. »La Palabre« nimmt Bezug auf die soziale Praxis des öffentlichen Diskurses, der Zusammenkunft und der Konfliktlösung in zahlreichen Ländern des afrikanischen Kontinents; der Ort ist stets ein Baobab Baum, der arbre a palabre.

 

»La Palabre« verhandelt Themen, die wir im Rahmen des Projekts TALKING OBJECTS LAB über die vergangenen zwei Jahre in Symposien, Gesprächen, Think Tanks und künstlerischen Interventionen erarbeitet haben. Impulsgebend für die Abende ist jeweils ein Input aus dem TALKING OBJECTS LAB (Texte, Video-Performances oder Lectures), zu denen ein bis zwei Berliner Künstler*innen oder Speaker*innen, insbesondere aus den BIPoC Communities, arbeiten und gemeinsam mit den eingeladenen Gäst*innen diskutieren. Für das feste Ritual des gemeinsamen Essen laden wir Köch*innen, Künstler*innen, Anthropolog*innen, Poet*innen und Initiativen ein, die sich mit der kulturellen Praxis des Essens, der Nahrung und ihrer kolonialen Verstrickungen beschäftigen.

 

 

LA PALABRE #1 – CUTTING FRUIT

DECOLONIZING FOOD

14. Juli

 

Was und wie wir essen, hat nicht nur mit nationaler kultureller Prägung, sondern auch mit globalen Machtstrukturen und Kolonialitäten zu tun. Auch lokale Politiken und Prozesse der Gentrifizierung formen die gastronomische Landschaft einer Stadt und unsere Essgewohnheiten. Wer darf (mit-)kochen? Wer ist eingeladen, und wer bleibt draußen? Wer arbeitet in der Küche, und wer sitzt am Tisch?

 

Das TALKING OBJECTS LAB untersuchte das Thema bereits im Workshop “Anti- Colonial Approaches to Nature” im Juli 2022 in Nairobi und im Rahmen des performativen Symposiums “UNEXPECTED LESSONS #2 – Decolonizing Nature” im September 2022 in Reykjavik. Zentrale Themen waren Food Justice, Saatgutarchive und ihre kolonialen Verstrickungen, indigenes Wissen über Pflanzen und Ackerbau, und Essen als kulturelle Praxis und Archiv.

 

Für den ersten »La Palabre« Abend in Berlin lädt uns die Kulturanthropologin Kavita Meelu ein, gemeinsam Früchte zu schneiden und zu teilen: eine Kindheitserinnerung, und elementare Geste der Fürsorge. Kavita hat die Berliner Gastronomieszene u.a. mit dem Supper Club Mother’s Mother, dem Streetfood Thursday, maßgeblich mit geformt, und erzählt, gemeinsam mit der Gastronomin Daeng Khamlao, von ihrer Arbeit im Smells Like Collective, und den unexpected lessons, die ihr auf ihrem Weg begegnet sind.

Kavita spricht mit Celina Baljeet Basra, Kuratorin, Autorin, und Teil des Teams von Talking Objects Lab, die sich in ihrem neuen Roman mit migrantischer (Food-)Arbeit in Südeuropa beschäftigt.
Der Autor und Aktivist hn.lyonga trägt nicht nur eine Lesung bei, sondern bringt auch selbstgemachte Saucen mit, die wir mit fried plantains und puff puffs von Papa Africa probieren.

Wir teilen Ausschnitte eines Vortrags des Ethnobiologen Patrick Maundu, der im Rahmen unseres Workshops im Juni 2022 in Nairobi der am Beispiel Kenia den andauernden Einfluss der Kolonialvergangenheit auf Ernährung und Landwirtschaft erklärt. Talking Objects Lab Kuratorin Isabel Raabe erzählt vom Workshop in Nairobi und den komplexen Erfahrungen des Symposiums in Reykjavik. Der Abend wird moderiert von Magnus Elias Rosengarten.

 

 

LA PALABRE #2 – COLLECTING SEEDS

DECOLONIZING NATURE

1. September

 

 

“We must all decolonize our minds in Western Culture to be able to think differently about nature, about the destruction humans cause” (bell hooks)

 

Die Kolonisierung der Natur im Kapitalismus wurzelt in der Idee, den Menschen als von der Natur getrennt und über sie erhaben zu betrachten. Wie kann die Dichotomie Kultur/Natur überwunden werden in einer Zeit, in der ökologische Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit dringlicher sind denn je?

 

Das TALKING OBJECTS LAB untersuchte die Auswirkungen des Kolonialismus auf den heutigen Umgang mit der Natur bereits im Workshop “Anti-Colonial Approaches to Nature” im Juli 2022 in Nairobi und im Rahmen des performativen Symposiums “UNEXPECTED LESSONS #2 – Decolonizing Nature” im September 2022 in Reykjavik. Zentrale Themen waren die Kolonisierung von Land, Saatgutarchive und ihre kolonialen Verstrickungen, verlorenes indigenes Wissen über Pflanzen und Ackerbau, und die Natur als Archiv von Erinnerung. Und wir diskutierten über eine Philosophie der Natur und die Rolle der Natur nicht als “Objekt”, sondern als handelndes Subjekt.

 

Für den »La Palabre« Abend in Berlin laden wir das Kollektiv Field Narratives für eine partizipative Intervention ein. Field Narratives beschreiben sich selbst als „an artistic research platform for rural biographies, transgenerational and cross-continental storytelling“.

Saskia Köbschall spricht über das von Nyabinghi Lab initiierte Projekt „The Roots of Our Hands Deep as Revolt“: Entangled Colonialities of the Green“ das Umweltdiskurse mit antikolonialen Kämpfen verbindet und das koloniale Narrativ der Dualität von Mensch/Natur in Frage stellt.

Neo Musangi, wohnhaft IM Nairobi National Park in Kenia, schreibt für diesen La Palabre Abend einen Essay, der auf der Performance „Dogs Hunting in the Park – A Dog Problem or Problem People“ basiert, die Neo im Rahmen von UNEXPECTED LESSONS #2 – Decolonizing Nature“ in Reykjavik zeigte. Für die Lesung dieses Essays haben wir die Schauspielerin Dena Abay angefragt.

Talking Objects Lab Kuratorin Isabel Raabe zeigt Interview-Ausschnitte, die wir mit Teilnehmer*innen des Workshops Anti-Colonial Approaches to Nature in Nairobi geführt haben. Der Abend wird moderiert von Magnus Elias Rosengarten.

 

Und, wie bei jedem La Palabre Abend, bewirten wir unsere Gäste mit kuratierten Snacks und Drinks von Tischlein Deck Dich – We have been Collecting Seeds.

 

 

LA PALABRE #3 – TELLING TALES

DECOLONIZING MEMORY

29. September

 

Solange der Löwe nicht schreiben kann, wird die Geschichte aus Sicht des Jägers erzählt. An welche Geschichte(n) erinnern wir uns? Wie kann das kollektive Gedächtnis dekolonisiert werden? Sind Sammlungen, Museen, Archive, Bibliotheken noch als Hüter unserer Erinnerung geeignet? Wie schreiben sich Erinnerung und Trauma in Körper und Geist ein?

 

Kolonialer Widerstand bedeutet auch, gegen die Auslöschung von Erinnerungen zu kämpfen und Heilungsprozesse anzustoßen. Das TALKING OBJECTS LAB beschäftigte sich immer wieder mit diesem Thema: u.a. im Rahmen von UNEXPECTED LESSONS #1 und zuletzt im Rahmen des Projekts Ré-Imaginer le passé –– hier arbeiteten wir zur Idee des Imaginären als Strategie, um Vergangenheit neu zu denken.

 

Wie gehen Berliner Künstler*innen und Initiativen mit dem Thema um? Für den dritten »La Palabre« Abend in Berlin laden wir die Poetin und Aktivistin Lahya Aukongo mit ihrer Performance Ich erinnere mich ein, ebenso wie die kolumbianische Künstlerin, anti-koloniale Kuratorin und Pina-Bausch-Fellow Martha Hincapié Charry. Talking Objects Lab Kuratorin Isabel Raabe stellt das Projekt Re-Imaginer le passé vor, das im Mai diesen Jahres in Dakar seinen Auftakt hatte. Der Abend wird moderiert von Magnus Elias Rosengarten. Und, wie bei jedem La Palabre Abend, gibt es Essen: kuratierte Snacks von Love Deluxe (Edwina Bishop und Bayo Adafin) – ihr Menu speist sich aus Kindheitserinnerungen der Macher*innen, der Küche der Südstaaten, der afrikanischen Diaspora und den südpazifischen Inseln.

 

 

 

LA PALABRE #4 – LEARNING LESSONS

DECOLONIZING ACADEMIA

20. Oktober

 

 

Die Frage, was Wissen heute sein kann, ist der Kern unserer Arbeit im Talking Objects Lab. Der amerikanische Politikwissenschaftler Cedric Robinson bezeichnet Black Studies als “critique of Western civilization”. Black Studies, African Studies, Afro-American Studies – wie stehen diese Studien zueinander und wie kann Schwarzes Wissen in der (institutionellen) Wissenschaft verankert werden? Wie kann “Un-learning” in der Wissenschaft funktionieren? Unter dem Titel “Mapping Academia” fanden 2021 bereits zwei Talks mit Wissenschaftler*innen im Rahmen des Talking Objects Lab statt.

 

 

Für den La Palabre Abend in Berlin möchten wir das Thema nun öffnen. Was ist Schwarzes Wissen – innerhalb und außerhalb des akademischen Kontextes? Welche Empowerment- und Vermittlungsstrategien gibt es? Talking Objects Lab Kurator*innen Isabel Raabe und Mahret Ifeoma Kupka zeigen Ausschnitte des Talks “Mapping Academia” mit Noémi Michel, Alexander Gehdi Weheliye und Franck Freitas-Ekué, gefolgt von einem Panel mit Mahret Ifeoma Kupka, Peggy Piesche und Andrea-Vicky Amankwaa-Birago, die Erfahrungen aus ihrer Arbeit und Forschung teilen. Agie Biwersi aka Gambian Cookbook kuratiert das Essen für den Abend und erzählt aus ihrer kulinarischen Praxis und Familiengeschichte – und schließlich führt uns Andrea-Vicky Amankwaa-Birago durch eine Resting Meditation. Musik begleitet uns durch den Abend – jede Teilnehmer*in bringt einen Song mit. Dazu laden wir alle Gäst*innen ein, mit uns gemeinsam eine Dekoloniale Bibliothek zu bauen – ob Ihr ein Buch, oder auch ein Gedicht, einen Geruch, oder einen Gegenstand mitbringt, der Wissen in sich trägt, ist Euch überlassen.
Der Abend wird moderiert von Miriam Camara.

 

 

 

LA PALABRE #5 – REFUSING, EMBRACING, LETTING GO

DECOLONIZING THE INSTITUTION

10. November

 

Refusing, Embracing and Letting Go. Was tun mit den Institutionen? Kooperation oder Verweigerung? Um Sichtbarkeit kämpfen oder Dancing in the Dark? Wir möchten darüber sprechen, was es bedeutet, Dekolonisierung und Intersektionalität in Institutionen zu praktizieren. Welche Strategien gibt es – innerhalb und außerhalb der Institution? Und was bedeutet es, mit dekolonialen Projekten und als BIPoC Künstler*innen zu Gast in weißen Institutionen zu sein?

 

Isabel Raabe teilt Erfahrungen aus der Arbeit des Talking Objects Lab. Ibou C. Diop und David Frohnapfel sprechen über Diversity Work, Prozesse der Dekolonisierung, und über ihre Arbeit an deutschen Institutionen, sowohl in der Forschung als auch in der Museumspraxis – über Reclaiming, Blockaden, Scheitern, Hierarchien, Möglichkeitsräume, und Befreiung im Verlassen tradierter Strukturen. Für künstlerische Interventionen laden wir die Künstlerin Felisha Maria Carenage und die Poetin und Performerin Trovania ein. Kulinarische Kuration und Input sind an diesem Abend von Daeng Khamlao. LA PALABRE #5 wird moderiert von Miriam Camara.

 

 

 

LA PALABRE #6 – LISTENING TO OBJECTS

DECOLONIZING KNOWLEDGE

14. Dezember

 

 

Im TALKING OBJECTS LAB geht es auch darum, Objekte zum Sprechen zu bringen und ihnen zuzuhören – dem Zitat des senegalesischen Schriftstellers Ismael Dio folgend “Ecoute plus souvent les choses que les êtres!” (Höre öfter auf die Dinge als auf die Menschen).

 

Welches polyphone Wissen liegt in Objekten? Wie können wir Objekte neu betrachten, ihnen zuhören und sie ins Erzählen bringen? Und ist vor diesem Hintergrund der Begriff “Objekt” überhaupt tragbar? In den Jahren 2021 und 2023 luden wir Künstler*innen zu Residencies am Musée Théodore Monod in Dakar ein, um dort zu Objekten aus der Sammlung des Museums zu arbeiteten. Nach dem Screening von Interviews mit den Künstlern Viyé Diba und Ibrahima Thiam, werden Nikita Dhawan und Maria do Mar Castro Varelas darüber sprechen, was “Listening to Objects” für sie bedeutet. Wir diskutieren darüber, wie wichtig die Neu-Betrachtung von Objekten für den Prozess der Dekolonisierung ist und was der Umgang von westlichen Museen mit Objekten über Europa erzählt.

Für die künstlerischen Interventionen des Abends laden wir Melody Ledwon mit einer Yoga-Intervention ein, sowie den Autor und Performer Fogha MC, mit einem Text gelesen von Lamin Leroy. Kulinarische Kuration und Input sind an diesem Abend von Ma-Makan. LA PALABRE #6 wird moderiert von Miriam Camara.

 

 

 

 

Team

»La Palabre« wird kuratiert von Isabel Raabe & Celina Baljeet Basra.

Koordination: Celina Baljeet Basra

Projektassistenz: Jasmin Anna Awale

 

TALKING OBJECTS LAB ist ein künstlerisches Forschungsprojekt, das sich der Dekolonisierung von Erinnerung und Wissen widmet und sich über mehrere Jahre in Think Tanks, Symposien, künstlerischen Interventionen und Ausstellungen entfaltet. Das LAB begleitet das TALKING OBJECTS ARCHIVE, ein Archiv für dekoloniale Wissensproduktion. Das kuratorische Team von Talking Objects Lab besteht aus Mitgliedern aus Kenia, Senegal und Deutschland, den Ländern, in denen die meisten unserer Aktivitäten stattfinden: derzeit Mahret Ifeoma Kupka, Isabel Raabe, Malick Ndiayé, Njoki Ngumi und Chao Tayiana Maina. Nach Veranstaltungen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten in Berlin, Nairobi, Dakar, Reykjavik und online, führen die sechs »La Palabre« Abende die Themen zusammen und denken sie gemeinsam mit den Berliner Communities weiter.

 

Kurator*innen-Team TALKING OBJECTS LAB

Isabel Raabe, Kuratorin, Kulturproduzentin (Berlin); Dr. Mahret Ifeoma Kupka, Kuratorin (Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt am Main); Njoki Ngumi (The Nest Collective, Nairobi); Chao Tayiana Maina (African Digital Heritage, Nairobi); El Hadji Malick Ndiaye (Musée Théodore Monod, Dakar). www.talkingobjectslab.org

 

In deutscher und englischer Sprache

 

»La Palabre« wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds

 

 

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