Ein BürgerInnenprojekt  in Schönwalde I und II, Greifswald

 
Heimat Hoch 3

Institut für Widerstand im Postfordismus

Nichts muss so bleiben, wie es ist

April 2018 – Juni 2018, jeden Dienstag und MIttwoch in Greifswald – Schönwalde

 

Achtung externer Spielort:

Gartenlaube direkt neben dem REWE Center, Greifswald – Schönwalde II

September in der Vierten Welt

Von April bis Juni 2018 begeben wir uns 2 Tage die Woche auf Tuchfühlung mit der Zweischneidigkeit des Widerstands.  Ausgestattet mit einer Gartenlaube und viel Gesprächsstoff suchen wir die Auseinandersetzung mit jenen, die unter Anderen der AfD ins Parlament verholfen haben und sprechen mit ihnen über ihren Heimatbegriff.

Ende August 2018 sind wir dann in der Vierten Welt und geben Notizen zum Stand der Dinge und der Sehnsucht nach Veränderung

Drei  Monate lang – von April bis Juni 2018 – spiegeln wir unsere Überraschung und Furcht über den rechtsnationalen Status quo dorthin zurück, wo sie – nach allem was wir wissen – Bestand hat.

 

In einem Wahllokal in Schönwalde wählten bei der Bundestagswahl 2017 28,29 % der Menschen die AfD.  

 

Die Hoffnung: Wenn die Gedanken und Gemüter derjenigen, die noch zaudern, zu erreichen wären, könnten andere Begriffe und Ideen die Diskrepanz zwischen Enttäuschung und dem Bedürfnis, zu wirken, füllen.  

Also errichten wir in Greifswald –Schönwalde I und II einen Ort für Gespräche, Kontaktaufnahme und Expeditionen durch Lebenswelten von und mit den BewohnerInnen des Stadtteils. Dabei denken wir an eine Zone des Aushaltens, die etwas länger Bestand hat und an Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der (Selbst)Verständigug.

Was wir sehen

 

Während in öffentlichen Repräsentationen des Staates der Exportüberschuss gefeiert und die Vollbeschäftigung geradezu angekündigt wird, haben diese Errungenschaften Mikrostrukturen, die in Sozialabbau, Prekarisierung von Arbeitsmärkten und Leistungsideologien bestehen. 

All das sind Dinge, die branchen- und klassenübergreifend wirken und es für die einzelnen unmöglich machen, sich auf einen hoffnungsvollen Posten zu retten. AkademikerInnen stehen der Verunmöglichung ihrer Arbeit genau so nahe wie ArbeiterInnen dem Stellenverlust durch obskure Fusionen von Konzernen, unter deren Obhut sie angeblich stehen. Die Brüche geschehen im Verborgenen, um den Aufruhr zu verhindern, aber alle, alle merken es.

 

Und eben weil diese Erschütterungen sich unter der Oberfläche von Sinnzusammenhängen wie Rechtsstaatlichkeit und Solidargesellschaft abspielen und eher im eigenen Umfeld wahrnehmbar werden, als dass sie öffentlich gemacht und gesamtgesellschaftlich diskutiert würden, produzieren sie Nervosität: Es gibt dabei mindestens zwei Seiten: Die Abzeichnung im eigenen (meinem) Leben sind offenbar andere als die im anderen (deinem). Das sieht man schon allein an den politischen Schlüssen, die dort im Gegensatz zu hier gezogen werden und sich nicht mehr zusammenfügen wollen. Gibt es einen Weg, von diesen unterschiedlichen Abzeichnungen zu gemeinsamen Zeichen zurückzufinden um von dort aus darüber nachzudenken, warum das alles so unterschiedlich erlebt wird?

 

In Deutschland, wie in anderen Demokratien, ist die Verschiebung des politischen Gefüges unleugbar geworden. Innerhalb von wenigen Jahren wuchs eine teils rechtsnationale, teils rechtsliberale, teils rechtsextreme Partei zu einer stabilen Größe in der deutschen Öffentlichkeit und ist seit September 2017 auch Teil des Bundestags. 

Von ihr wie von anderen sind laute Klagen zu vernehmen, die sich oft mit Begriffen wie Heimat, Sicherheit, Stabilität und Tradition ausstatten, um aus ihrer Sicht den ersehnten Zustand des Landes zu beschreiben.

 

Das Naheliegende hat mit Biographie, der Geschichte der eigenen Familie, des Landes, in dem man lebt, mit der Geographie, die einen umgibt und mit den Erfahrungen zu tun, die man in all dem täglich macht. Es ist die andere Seite der Abstraktion und fordert sie heraus. Das Naheliegende meint auch: Heimat.

Es ist aber auch das Naheliegende, das abseits von ideologischen Angriffspunkten Auskunft darüber verspricht, wie die Menschen sich selber sehen und welche materiellen Mängel ihr Leben begleitet. Arlie Russel Hochschild hat die Überzeugung, dass dem Singulären in dieser Form das Allgemeine innewohnt in Gesprächen mit BewohnerInnen einer Region in Louisiana, USA erprobt.

 

Sie stieß dabei auf Selbsterzählungen, die ihre Kohärenz nicht so sehr aus einer politischen Logik von Problemen und ihren Lösungen ziehen, sondern stattdessen durch die Tendenz, sich politisch zu etwas zu bekennen, das auf den ersten Blick all das, woran es im eigenen Leben mangelt, repräsentiert und verspricht. In Hochschilds Blick haben die Menschen in den USA Donald Trump zum Präsidenten gewählt, weil er genau so enttäuscht, entrüstet und ungehört zu sein scheint, wie sie selber – obgleich aus anderen Gründen – und diesen starken Gefühlen, ungerecht behandelt worden zu sein, schlicht die Behauptung gegenüberstellt, diesen Gefühlen – statt ihren Auslösern – ein Ende zu bereiten.

 

Das Naheliegende ist eine mikropolitische emotionale Entlastung obgleich die Belastung makropolitische strukturelle Gründe hat.

 

Was wir tun?

 

Wir – das Institut für Widerstand im Postfordismus – sehen die Stärke der Begriffsmagneten, die auf all die Enttäuschten und sogenannten Vernachlässigten wirken und ihre Energien auf einer Seite bündeln. Für uns hat sich die Frage darauf verlagert, wie die Heimat und ihre Freunde so stark werden konnten und wer oder was zu spät gekommen ist, um diese Kräfte anderen Zwecken zuzuführen.

 

Vor diesem Hintergrund  begeben wir uns auf eine fragende Suche nach existentiellen Motiven, die Begriffen wie Heimat wieder politische Schlagkraft verliehen haben und stetig weiter verleihen.

 

Wir suchen nach den affektiven Zuständen der Unzufriedenheit und Unsicherheit, die durch die Aussicht und Sehnsucht auf eine „intakte“ Heimat kompensiert werden sollen und politisch nutzbar gemacht werden.

 

Wir sammeln Wissen, um den kollektiven Prozess, der den Stadtteil mit dem Systemwechsel 1990 ergriffen hat, besser zu verstehen und um die Selbsterzählungen, die sich daraus ergeben, anzunehmen.

 

Wir werden im Stadtteil anwesend sein und mit denen, die dort leben, sprechen. Wir werden sie fragen, welche Veränderungen sie spüren, und wie sie leben wollen.

 

Wir machen uns auf die Suche nach dem, was vermisst wird, nach dem, was fehlt, nach dem Gefühl Unzufriedenheit und wie und woran es sich festmacht.

 

Es geht uns um ein affektives Begreifen und Reflektieren von Identität und ihren Störungen und Zerwürfnissen. Dies könnte zu dem Punkt führen, das eigene Zerwürfnis nicht bloß mehr an andere, dritte zu delegieren und mich mit Ihnen zu zerwerfen, sondern einen Handlungsspielraum außerhalb dessen zu erobern: Was kann ich tun, um wieder das Gefühl zu bekommen, ich komme in der Realität so vor, wie ich es möchte? Wie kann im Grunde passive Aggressivität in aktive Handlungsmacht umgewandelt werden? Wer kann ich sein in dieser Welt? Wie kann ich Welt sein?

In Kooperation mit der Vierten Welt werden wir unsere Erfahrungen vor Ort regelmäßig nach Berlin-Kreuzberg zurückspiegeln.

 

Und Ende August gibt es eine öffentliche Veranstaltung in der Vierten Welt.

Hier gibt es unseren Theorie-Text zum Hintergrund des Projekts in voller Länge zu lesen.

 

Ein Projekt der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) Mecklenburg-Vorpommern in Kooperation mit dem Institut für Widerstand im Postfordismus und dem Theater Vorpommern.

 

Mit freundlicher Unterstützung durch die Universitäts- und Hansestadt Greifswald und durch das Quartiersbüro Schönwalde II. Gefördert vom Fonds Soziokultur e.V.

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