Eine Langzeitrecherche Andreas Liebmann und Cecilie Ullerup Schmidt 

 
 Exodus #1: Das Leiden anderer (nicht) zeigen 

Wie können sich privilegierte Wohlstandsnomaden und notgedrungen Mittelmeerreisende begegnen? Wie kann eine Austausch entstehen ohne das Kapitalisieren der Bilder des Leidens? Inwiefern sind dokumentarisch arbeitende Künstler bloß moralisierende Aktivisten, die die Kraft der Vorstellungskraft vergessen haben?

In einer Reihe von Filmscreenings, Gesprächen und einer Arbeitspräsentation untersuchen wir künstlerische Darstellungsformen, die Geflüchtete und Flucht zeigen. Wir diskutieren ethische und ästhetische Konsequenzen von künstlerischen Herangehensweisen, die sich dem (Nicht-)Zeigen des Leids von anderen verschrieben haben. Im Rahmen einer Arbeitsresidenz in der Vierten Welt veranstalten wir öffentliche Auseinandersetzungen mit verschiedenen Künstlern und sammeln alternative Strategien zu einer “Ästhetik der Realität”: Nichtdarstellung, Entstellung, Absenz und Affirmation. 

Fr. 25.11 + Sa. 26.11.2016 | 20:00 | Bar/Kasse 19:30 | Eintritt 11/7/3€

 
Absenz von Schmerz [ Ödland ]

Anne Kodura’s Film “Ödland” (2013) zeigt die Sommerferien von Kindern in einem Asylantenheim. Keine Leidensgeschichten, kein Fluchtbericht. Wir schauen den Film und reden mit Anne Kodura über die sonnenschimmernden Sommerbilder.

 

 

Es sind Sommerferien.

 

Inmitten von Wäldern und ein paar Schafweiden steht ein Wohnblock auf ehemaligem Kasernengelände der sowjetischen Armee. Umringt von verfallenen Baracken, verrotteten Soldatenfresken, einem verwilderten Fußballplatz und einem nagelneuen Maschendrahtzaun. Hier wachsen Aya, Momo und Mustafa auf. Sie verbringen die Ferien zu Hause im Asylbewerberheim. Ein geteerter und mit Apfelbäumen gesäumter Feldweg führt ins nahe gelegene Dorf. Ein Bus fährt drei, manchmal auch viermal am Tag.

 

Aya ist Palästinenserin und kommt aus dem Libanon. Sie ist schon fast sieben und kümmert sich um ihre kleineren Geschwister. Momo und Mustafa sind Brüder.

Momo ist elf und wurde in Syrien geboren. Er braucht Geld, weil er mit seinen Freunden Knaller und Kinderbowle für Silvester kaufen will. Mustafa ist sieben und wurde „aus Deutschland geboren, aber er ist trotzdem ein Kurde“. Er macht seinem Bruder natürlich alles nach und will auch mal Fußballspieler oder Automechaniker werden, wenn er groß ist.

 

Ihre Heimatländer kennen die Kinder nur bruchstückhaft durch Erzählungen und aus dem Fernsehen. In Deutschland aufgewachsen, verstehen sie das mit dem „Asyl“ nicht so richtig und wollen eigentlich ganz normal sein. Sie vertreiben sich die Langeweile mit Fußball, machen einen Ausflug zum nahe gelegenen See und versuchen sich im Kupferschrotthandel. Eine Geschichte von Kindheit, Heimat und der Suche nach Identität.

 

Anne Kodura – Geboren und aufgewachsen in Halle (Saale). 2010 inszenierte sie ihr erstes Theaterstück “Orangenhaut” von Maja Pelevic im Rahmen des Festivals für neue Dramatik in München. Medienkunststudium an der Akademie der Bildenden Künste München und Realisierung erster Kurz- und Experimentalfilme. Für ihr Diplom erhielt sie den Senator-Bernhard-Borst Preis der Stiftung Kunstakademie München. Sie ist Absolventin des Talentpool Programms TP2 der Tradewind Pictures, gefördert durch die Mitteldeutsche Medienförderung. Ihr erster abendfüllender Dokumentarfilm “ÖDLAND – Damit keiner das so mitbemerkt” entstand in Zusammenarbeit mit dem Kameramann Friede Clausz und lief auf zahlreichen nationalen und internationalen Filmfestivals (u.a. 63. Berlinale, 37. Duisburger Filmwoche, 54. Festival dei Popoli), war für zahlreiche Preise nominiert (u.a. Gläserner Bär, ARTE Documentary Award, 3sat Documentary Award) und gewann den “Open Eyes Jury Award” (NIHRFF) und den “Best Documentary Emergence Feature Award” (Oaxaca FF). Desweiteren war sie 2014 als Künstlerin und Filmemacherin auf der 4th International Biennial in Canakkale (Türkei) und 2015 als Berlinale Talent auf der 65. Berlinale vertreten.

21. April 2015 | 20:00

 
Anti-Einfühlung
Liquid Traces – The Left-to-Die-Boat + Sudeuropa ]

Politische Strukturen ohne Gesichter. Brechtische Verfremdung personengebundener Erfahrungen. 

Das sind zwei Beispiele der künstlerischen Strategien der beiden Filme “Liquid Traces – The Left-to-Die-Boat”  von Charles Heller & Lorenzo Pezzani (2014) und „Sudeuropa“ von Maria Iorio & Raphaël Cuomo. Die Filme werden gezeigt und ihre filmische Narrative diskutiert.

Zu Gast Lorenzo Pezzani.

 
[ Film 1 ] Liquid Traces – The Left-to-Die Boat Case

Directed by Charles Heller and Lorenzo Pezzani, 17 min, 2014

 

Liquid Traces reconstructs the “left-to-die boat” case, in which 72 migrants were left to drift for 14 days in NATO’s maritime surveillance area at the height of the 2011 war on Libya.

Produced within the Forensic Oceanography research project, as part of the ERC funded Forensic Architecture project, hosted by the Centre for Research Architecture at Goldsmiths, University of London.

 

Charles Heller is a filmmaker and researcher whose work has a long-standing focus on the politics of migration. He is currently completing a PhD in Research Architecture at Goldsmiths College on the politics of mobility in the Mediterranean Sea, and is a research fellow of the ERC project ‘Forensic Architecture’. He is one of the founders of the WatchTheMed project, a participatory online map to document deaths and violations of migrants’ rights at sea.

Lorenzo Pezzani is an architect based in London. His work deals with the spatial politics and visual cultures of migration, human rights and media, with a particular focus on the geography of the ocean. Since 2011, he has been working on Forensic Oceanography, a project that critically investigates the militarised border regime and the politics of migration in the Mediterranean Sea, and has co-founded the WatchTheMed project. He is currently a PhD candidate and research fellow at the Centre for Research Architecture (Goldsmiths College) and teaches at the Bartlett School of Architecture (UCL).

 

[ Film 2 ] Sudeuropa

Sudeuropa examines the ways in which European and Italian immigration policies materialize on location by reconfiguring space, time and the daily life of the Italian island Lampedusa. 

 

Maria Iorio and Raphaël Cuomo have worked together since studying Fine Arts in Geneva. From 2006-2007, they were both appointed as researchers in the Fine Art department of Jan van Eyck Academie, Maastricht. Their recent long-term and collaborative projects, carried out on both southern and northern shores of the Mediterranean Sea, investigate the economies of visibility in relation to past and present mobility regimes over the shores of the Mediterranean Sea. 

The resulting body of works manifests divergent histories or unfinished negotiations that account for an entangled modernity. Twisted Realism, their ongoing project in Roma, researches the reconfiguration of urban space after World War Two and its depiction in Italian cinema in the period of post-war reconstruction and “economic miracle”. By critically examining various “aesthetics of reality” and the merging of political power and cinema, the project proposes a convergence of past and present to question the intertwined histories of migration, urbanisation and cinema. 

Iorio and Cuomo have shown their work in various exhibitions, projects and festivals including The Maghreb Connection – Movements of Life Across North Africa, curated by Ursula Biemann, and in the framework of Chewing the Scenery, curated by Andrea Thal, at the 54th Venice Biennale.

 

28. April 2015 | 20:00

 
Exodus #2: killing me softlyPolitische Strukturen ohne Gesichter. 
Brechtische Verfremdung personengebundener Erfahrungen. 

 

Auf einer Reise nach Sizilien haben Cecilie Ullerup Schmidt und Andreas Liebmann das Asylantenheim „Nuevo Mondo“ besucht und den Bewohnern einen Liederaustausch angeboten. In Zusammenarbeit mit Matthias Meppelink geben sie nun ein feel good Recherchekonzert.

 

„Exodus“ ist eine Langzeitrecherche zu freiwilligem und notgedrungenem Reisen von Andreas Liebmann und Cecilie Ullerup Schmidt.

 

Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds Berlin und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei – für Kulturelle Angelegenheiten. 

 

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