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Ungarische Erfahrung, deutsche Anwendung – Spinozistische Reflexionen über Macht, Erkenntnis und Autorität

Oliver Toth

 

Diese Gesprächsreihe verhandelt Erfahrungen ungarischer Politik und wie sie in der deutschen Politik sowohl für die Unterdrückung, als auch für den Widerstand zur Ressource werden kann.

 

Um Anmeldung wird gebeten.

 

Fr. 28.02.25  / 19:00 – 21:30 Uhr
 

Eintritt frei

Sowohl europaweit als auch global zeichnet sich der Trend ab, dass bestimmte politische Kräfte immer ähnlichere Strategien und Slogans verwenden: nach der Abtreibung wird der Kampf gegen die „globalistische“ Elite und den „Woke-Wahnsinn“ ausgerufen, und im Namen einer „souveränistischen“ Seite werden die angeblichen Werte der Familie, Christentum und Heterosexualität verteidigt. Die Art und Weise, wie „die Migrantenhorde“, Georg Soros, die Jüd*innen und Muslim*innen, die Queeren und nicht als „einheimisch“ gelesenen Personen zum Feindbild gemacht werden, zeigt eine gewisse Ähnlichkeit in verschiedenen Ländern und auf verschiedenen Seiten des politischen Spektrums auf. Man könnte denken, dass es ausschließlich um die Übernahme von Slogans geht, die dazu dienen, die benachteiligten Bevölkerungsgruppen gegen eine angebliche städtische Elite aufzuhetzen. Tatsächlich zeigt sich jedoch ein neuer Umgang mit Macht, mit Erkenntnis sowie politischer und wissenschaftlicher Autorität. Durch eine bewusste Anwendung von Gramscis Theorie der kulturellen Hegemonie wird versucht, die Autorität jedweder Art politikunabhängiger Expertise zu untergraben, sei sie eine akademisch gebilligte – wie die der Ärzt*innen während der Pandemie – oder eine durch gesellschaftliche Anerkennung entstandene – wie die der Künstler*innen. Die Expertisen, deren Billigung nicht von der Gunst der Politik abhängt, werden als Bedrohung wahrgenommen, da sie Identifikationsmuster vermitteln und Erkenntnisse ermöglichen, die ein gewisses Widerstandspotential gegen politische Narrative haben. Die Versuche, diese Autoritäten zu unterminieren, sollten nicht als bloße Hetze verstanden werden. Vielmehr drücken sie den politischen Anspruch aus, die Gesellschaft, die Kultur und die Sprache so zu gestalten, dass Gedanken mit Widerstandspotenzial nicht einmal gedacht werden können.

Solche Versuche nehmen wir auch bei verschiedenen politischen Akteuren* in Deutschland wahr, sei es durch den Widerstand gegen die Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien oder künstlerischen Institutionen, durch die Polarisierung der Meinungen zu angeblich umstrittenen Themen, oder durch die Umdeutung von politischen Begriffen, wie Freiheit, Frieden, oder „das“ Volk. Diese Versuche ähneln dem ungarischen Regime nicht zufällig, sondern folgen einer Strategie, die durch die ungarische Erfahrung geprägt ist. Daher ist es geboten, aus der ungarischen Erfahrung zu lernen: nicht nur Seites der Unterdrückung, sondern auch von der Seite des Widerstandes.

In dieser Veranstaltungsreihe werden Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Aktivist*innen und Journalist*innen sprechen, die mit der Situation in Ungarn aus der eigenen Erfahrung vertraut sind. Sie sprechen mit Oliver Toth, einem spinozistischen Philosophen, der sich intensiv mit Fragen der Erkenntnis, Autorität, und Macht bei und mit Spinoza beschäftigt. Ziel ist es, durch ihre Berichte und Erkenntnisse eine Perspektive auf deutsche politische Ereignisse zu gewinnen. Aus dieser Warte werden wir vielleicht scheinbar harmlose und unabhängige Phänomene als Ausdruck einer bedrohlichen und systematischen politischen Veränderung wahrnehmen können. Fähigkeiten und Werkzeuge sollen vermitteln werden, mit denen Bürger*innen die Bedrohung durch politische Mächte erkennen können, die mittels kultureller Hegemonie ihr Denken beeinflussen wollen – sowohl in der Parteipolitik als auch im Alltag.


Jedes Gespräch gliedert sich in drei Abschnitte: In den ersten 30 Minuten werden die wichtigsten Eckdaten und zentralen Begriffe vorgestellt. Anschließend folgt eine 60-minütige vertiefte Diskussion mit den eingeladenen Expert*innen. Nach einer kurzen Pause wird die Runde für eine offene Diskussion mit dem Publikum geöffnet.


In englischer und deutscher Sprache. (Termin 7.02. in ausschließlich deutscher Sprache)


Termine, Sprecher*innen und Themen:

07.02 – Dr. Melani Barlai – Auftakt, das politische System Ungarns

15.02 – Emese Orosz – Segregation in der Bildung

28.02 – Anna Zilahi – Umweltschutz, Liebe und Fürsorge: die Möglichkeiten individuellen Widerstandes

21.03 – Tamás Fábián – Strategien für unabhängige Berichterstattung


Triggerwarnung:

Die Veranstaltungsreihe beinhaltet folgende Themen

Violence / Gewalt

Sexual Content / Sexuelle Inhalte

Mental Health / Psychische Gesundheit

Discrimination / Diskriminierung

Financial Hardship / Finanzielle Not


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Oliver Toth

Hungarian Experience, German Application – Spinozistic Reflections on Power, Knowledge, and Authority.


This series of discussions focuses on the experience with Hungarian politics and how it can become a resource for both suppression and resistance in German politics.


Registration is requested.


Both across Europe and globally, a trend is emerging where certain political forces are increasingly using similar strategies and slogans. Following the issue of abortion, battles are being waged against the so-called “globalist” elite and “woke madness,” while defending supposed family values, Christianity, and heterosexuality under the guise of “sovereignism.” The manner in which “the migrant horde,” George Soros, Jews, Muslims, queer individuals, and those not perceived as “native” are turned into enemies shows striking similarities across different countries and political spectrums.
One might think that this is merely the adoption of slogans aimed at turning marginalized social groups against a so-called urban elite. However, it actually reveals a new approach to power, knowledge, and the authority of politics and science. By consciously applying Gramsci’s theory of cultural hegemony, efforts are made to undermine any form of authority independent of politics—be it the academically sanctioned authority of doctors during the pandemic or the authority of artists rooted in social recognition. Expertise that is not dependent on political favor is perceived as a threat, as it facilitates identification patterns and insights that contain a certain potential for resistance against these political narratives. The attempts to undermine such authorities should not be seen as mere agitation but rather as a political aspiration to shape society, culture, and language in such a way that thoughts with resistance potential cannot even be conceived.

Such attempts are also being observed among various political actors in Germany—whether through resistance to the funding of public broadcasting and cultural institutions, through the polarization of opinions on allegedly controversial issues, or through the reinterpretation of political terms such as freedom, peace, or “the” people. These efforts do not coincidentally resemble the Hungarian regime but rather follow a strategy shaped by the Hungarian experience. It is, therefore, necessary to learn from the Hungarian experience—not only on the side of oppression but also on the side of resistance.

This event series will feature scholars, artists, activists, and journalists who are familiar with the situation in Hungary from their own experience. They will engage in dialogue with Oliver Toth, a Spinozist philosopher who is deeply engaged with questions of knowledge, authority, and power within and through Spinoza’s thought. The goal is to gain a perspective on German political developments through their reports and insights. From this perspective, we may be able to recognize seemingly harmless and independent phenomena as expressions of a threatening and systematic political transformation. Participants are to receive skills and tools to recognize the threat posed by political forces that seek to influence their thinking through cultural hegemony—both in party politics and in everyday life.


Each conversation is structured into three sections: First, key data and central concepts are presented in 30 minutes. Then, an in-depth discussion of 60 minutes with the invited expert follows. After a short break, the session opens for an open discussion with the audience.


English and German language. (7.02. German language only)


Dates, Speakers, and Topics:

February 7 – Dr. Melani Barlai – Opening, the Political System in Hungary

February 15 – Emese Orosz – Segregation in Education

February 28 – Anna Zilahi – Environmental Protection, Love, and Care: Possibilities of Individual Resistance

March 21 – Tamás Fábián – Strategies for Independent Journalism


Trigger warning

The events contain following topics

Violence / Gewalt

Sexual Content / Sexuelle Inhalte

Mental Health / Psychische Gesundheit

Discrimination / Diskriminierung

Financial Hardship / Finanzielle Not


Graphik Credit: Oliver Toth


Datum

Fr., 28.02.25

Uhrzeit

19:00

Preis

Eintritt frei

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